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andreas stockmann
Ein Mensch - zwei Seelen

Künstler und Kämpfer, zurückgezogen und offensiv. In diesem Spannungsfeld bewegt sich Andreas Stockmann. Der 1962 in Dessau geborene Stockmann lebt und liebt die Extreme und verarbeitet seine zum Teil mehr als außergewöhnlichen Erfahrungen in seinem künstlerischen Werk.

Sein Leben als Kämpfer beginnt bereits im Alter von sechs Jahren in einer Judo-Schule in Hoyerswerda. Nach der Lehre tritt Stockmann in die Nationale Volksarmee ein, spezialisiert sich auf die Bereiche Selbstverteidigung und Militärischer Nahkampf und wird schließlich Nahkampfausbilder. Ungefähr 1982 kommt es jedoch zum vollständigen Bruch mit dem System. Stockmann versucht erfolglos, mit Hilfe der amerikanischen Botschaft das Land zu verlassen, lässt sich entpflichten und stellt schließlich einen Ausreiseantrag - mit dramatischen Folgen. Er lernt die DDR mit all ihren Härten kennen, ihren repressiven Mechanismen und Organen, die für Menschen wie ihn zuständig waren. Als er dann im Alter von 27 Jahren von seiner bevorstehenden Verhaftung hört, trifft Stockmann eine weitere folgenschwere Entscheidung. Er will über die Tschechei in den Westen fliehen.

Sein erster Versuch, Januar 1989 durch die Grenzwälder der Tschechei westdeutschen Boden zu erreichen, scheitert dramatisch. Stockmann wird entdeckt und die Grenzsoldaten hetzen ihre Hunde auf ihn. Der Dessauer entkommt - gerade noch so und mit einer schweren Bisswunde im rechten Schienenbein. Doch Stockmann gibt nicht auf, versucht es Monate später erneut und lässt im November mit seinem ernsten Schritt auf westdeutschen Boden sein altes Leben hinter sich. Stockmann bleibt jedoch auch im Westen Grenzgänger. Er tritt bei Untergrund-Kämpfen an, die im Rotlichtmilieu veranstaltet werden, arbeitet als Personenschützer, Sicherheitsberater, Selbstverteidigungsausbilder für Industrie- und Sicherheitsunternehmen und gründet schließlich einen eigenen und inzwischen sehr erfolgreich arbeitenden Free Fight Verband. Stockmann selbst sieht sich dabei in der Tradition der asiatischen Kampf-Mönche: Er wohnte in seiner Schule, schlieft direkt neben der Matte und zog durch die Welt, um seinen Sport bekannt zu machen.

Neben der öffentlichen, der offensiven Seite gibt es jedoch noch einen zweiten Andreas Stockmann - den Künstler, quasi das Alterego des Kämpfers, das eher zurückgezogen lebt und aufarbeitet, was dem Grenzgänger täglich begegnet. Schon während seiner frühen Tage als Schüler und Judoka suchte der Dessauer seinen Ausgleich im Malen und Zeichnen. Ihn interessieren jedoch nicht die glänzenden Momente, die zum schnellen Zwischendurch-Konsum medienwirksam inszeniert werden. Er findet seine Inspiration vielmehr abseits der großen Bühne, verarbeitet seine eigene Flucht, den Tod ihm nahestehender Personen und das Leben am Rande der Gesellschaft, das er in Fußgängerzonen sieht oder das gerade noch als Randsequenz in den Medien auftaucht.
Andreas Stockmann findet seine Inspirationen im alltäglichen Leben.
Er verarbeitet etwa die merkwürdige Symbiose, die vollmundige Fernsehwerbung mit den anschließenden Nachrichtensendungen eingeht, in denen Bilder aus Kriegs- und Krisengebieten in die Wohnzimmer kommen. Er macht sich bei Sportberichten Gedanken über den Zweiten, der die Ziellinie überquert, den Verlierer. Und er nimmt in den Fußgängerzonen die Menschen wahr, die betteln, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das sind einige der Startsequenz, die Stockmann in seine gestalterische Welt abzutauchen lassen.

Was er sieht, und was er zu sagen hat, verschlüsselt er in seinen Bildern. Sein Stil ist wegen der starken Bezüge zur Realität eher figurativ. Er abstrahiert reale Formen und Themen, indem er sie simplifiziert und auf das für ihn Wesentliche reduziert. Er transformiert seine Themen, ohne vordergründige Assoziationen hervorrufen zu wollen, und verleiht ihnen zugleich auch oft expressive Züge, indem er subjektive, emotionale Momente einfließen lässt.

Stockmann mischt die Techniken der Collage, Décollage und Malerei. Er schöpft aus dem unendlichen Reservoir seiner realen Umwelt und seiner düsteren Traumwelten. Die einzelnen Augenblicke, die Bestandteile die er dann transformiert, indem er sie zerlegt und neu zusammenfügt. Durch seine subjektive Wahrnehmung und Selektion entsteht eine neue Atmosphäre abseits der Kontinuität, der Zeit und des Traumes.

Arno Schupp


Anmerkung von mir: Obwohl ich mich über diese Bio bzw den Zusammenschnitt von Herrn Schupp freue finde ich das man im Pressebereich auch nicht gerade wenig von mir erfährt ;-)